Wilhelm Seehase prägte maßgeblich die Diakonie in Schleswig-Holstein mit /
Nach der Pensionierung kamen mehr als 25 Jahre Ehrenamt bundesweit und international hinzu

Rendsburg (prs). Fünf Jahre ist es her, dass Diakon Wilhelm Seehase im Kapellensaal des Rendsburger Martinshauses seinen 90. Geburtstag feierte. Es war ihm damals wichtig, noch einmal seine langjährigen Weggefährten zu einem festlichen und fröhlichen Anlass zu vereinen, solange er dazu gesundheitlich noch in der Lage war. Es war in der Tat ein Tag des Dankes und der gemeinsamen Erinnerungen: Zur großen Freude des Jubilars kamen über 60 Gratulanten – Familie, Verwandte und Freunde, darunter viele Menschen, die ihn auf seinem Lebensweg begleitet hatten. Prof. Dr. Klaus Hildemann blickte zurück auf die gemeinsamen Jahre im Kuratorium und im Vorstand der Theodor-Fliedner-Stiftung, Mülheim an der Ruhr. Kai-Gunnar Rohwer, Kaufmännischer Vorstand des Diakonischen Werkes Schleswig-Holstein, würdigte die Verdienste seines Vorgängers in den Jahren 1965 bis 1994. Für die „Männer mit Macken und Maschinen“ des von Wilhelm Seehase gegründeten Fördervereins für die Erhaltung technischen Kulturgutes überbrachte Dipl.-Psychologe Ulrich Kruse, Flensburg, die Geburtstagsgrüße im Namen der Mitglieder. Dr. Mathias Freiherr von Bredow, zweiter Vorsitzender der Stiftung Seemannshilfe, erinnerte schließlich an den gemeinsamen Einsatz für das Wohl der Seeleute in den Häfen Estlands von 1992 bis heute.

Nun ist Wilhelm Seehase am 30. Januar 2025 in seinem Heimatort Fockbek verstorben. Alle die ihn kannten und mit ihm auf die eine oder andere Weise verbunden waren, werden ihn jetzt schmerzlich vermissen. Sein jahrzehntelanges ehrenamtliches Engagement wird indes weiter Früchte tragen und ist zugleich eine Verpflichtung.

Wilhelm Seehase, Träger des Bundesverdienstkreuzes, konzentrierte sich seit seiner Pensionierung als Geschäftsführer des Diakonischen Werks Schleswig-Holstein im Jahr 1994 unermüdlich auf ein breites Spektrum ehrenamtlicher Tätigkeiten. Dabei hinterließ er seine Spuren nicht nur im nördlichsten Bundesland, sondern überall in der Republik und in weiteren Ländern Europas. Kaum eine Organisation aus den Bereichen Kirche, Diakonie und Soziales, bei denen der „Netzwerker für die Nächstenliebe“ nicht einen besonderen Namen hätte. Allein drei Stiftungen entstanden auf seine Initiative hin in Schleswig-Holstein und Berlin. Die Zahl seiner ehrenamtlichen Engagements ist groß und reicht weit über die Landesgrenze hinaus bis nach Estland.

Seine hauptberufliche Laufbahn begann Wilhelm Seehase nach einer Ausbildung zum Diakon Anfang der 1950er Jahre und anschließend zum Diplom-Sozialarbeiter an der FH Dortmund bei der Jugendbehörde in Hamburg. 1958 wechselte er zum Diakonischen Werk Schleswig-Holstein. Es folgten unterschiedliche Tätigkeiten in Leitungspositionen des Landesverbandes der Inneren Mission e.V. und des Diakonie-Hilfswerkes Schleswig-Holstein. Von 1965 bis 1994 war er Geschäftsführer des Diakonischen Werkes in Rendsburg.
Der Ort der Geburtstagsfeier, das Martinshaus, war ein symbolträchtiger Ort. Dass das Gebäude in den 1970er Jahren in den Besitz des Diakonischen Werkes Schleswig-Holstein überging und sich dort noch heute dessen Hauptsitz befindet, ist eine seiner vielen Initiativen, die bis in die Gegenwart hinein ihre Spuren nicht nur im nördlichsten Bundesland hinterlassen haben. Als sich die Gelegenheit bot, nutzte der Geschäftsführer seine Kontakte in der Kommunalpolitik, um die Übernahme der Immobilie durch andere Interessenten zu verhindern, und ermöglichte damit den dauerhaften Erwerb.

Seehase trug durch sein langjähriges Wirken dazu bei, dass die Diakonie insgesamt heute der größte Wohlfahrtsverband in Schleswig-Holstein ist. Hier arbeiten rund 48.000 Hauptamtliche in mehr als 1600 Einrichtungen und Angeboten. Zusätzlich engagieren sich viele Tausend Ehrenamtliche. Das Diakonische Werk Schleswig-Holstein ist der Dachverband der „Diakonie zwischen den Meeren“. 1957 schlossen sich die Innere Mission und das Hilfswerk unter dem Namen "Innere Mission und Hilfswerk der EKD" zusammen. Durch die Gründung des "Diakonischen Werkes der EKD e.V." im Jahre 1975 wurde das Hilfswerk der EKD formal aufgelöst. Seehase prägte als Geschäftsführer die strukturellen Veränderungen maßgeblich mit und hinterließ bei seiner Pensionierung eine starke und zukunftsfähige Organisation. Doch damit nicht genug: Bereits 1972 gründete er zusammen mit anderen Persönlichkeiten aus dem Bereich der Diakonie als selbständigen Verein die Norddeutsche Gesellschaft für Diakonie e.V. (NGD), der aufgrund unbürokratischer Entscheidungswege innerhalb kurzer Zeit ein weiteres und umfassendes Netz von sozialen Einrichtungen aufbauen konnte.

Seehase beschränkte seine beruflichen und ehrenamtlichen Aktivitäten nicht nur auf erfolgreiches und gestaltendes Wirken in vielen schon länger bestehenden Organisationen und Vereinen innerhalb und außerhalb des Bereiches von Kirche und Diakonie, in denen er sich engagierte. Auf seine persönliche Initiative hin entstanden in den zurückliegenden Jahrzehnten eine Reihe neuer Vereine sowie namhafte Stiftungen wie die Stiftung Evangelische Jugendhilfe Schleswig-Holstein, Rendsburg, die Stiftung Deutsche Lutherische Seemannsmission, Rendsburg, und zuletzt die Stiftung Seemannshilfe, Berlin, die sich um die Seefahrer im Ostseeraum mit aktuellem Schwerpunkt in Estland kümmert und dort Hilfe und Beratung leistet.

Christliche Nächstenliebe hat der Verstorbene nicht nur als persönliches Gebot gegenüber seinen Mitmenschen verstanden. Er hat vielmehr diesen Grundsatz auch auf die zahlreichen Vereine und Initiativen übertragen, die er im Laufe der zurückliegenden Jahrzehnte mit Leben erfüllt hat. Selbst scheinbar nur weltlichen Hobbies wie der Begeisterung für alte Modelleisenbahnen verlieh er stets einen zusätzlichen Aspekt der Mitmenschlichkeit. Ein typisches Beispiel ist der von ihm maßgeblich geprägte Förderverein für die Erhaltung technischen Kulturgutes e.V. Dessen Mitglieder organisieren bundesweit regelmäßig Eisenbahnwochenenden in unterschiedlichen Senioreneinrichtungen und ermöglichen vielen alten Bewohnern damit einen Ausflug in die Erinnerungen ihrer Kindheit und Jugendzeit, in der Zinnblechlokomotiven und –Waggons pfeifend über alte Vorkriegsgleise ratterten. Aber nicht nur die nostalgischen Spielzeugeisenbahnen, sondern auch Oldtimer in Originalgröße aus Blech mit „H-Nummernschild“ verdanken Wilhelm Seehases Initiative ihre Betriebsfähigkeit und ziehen auch heute noch die bewundernden Blicke von Autofahrern und Passanten auf sich.

Mathias v. Bredow